Schwammstadt

Schwammstadt ist ein Konzept, um anfallendes Regenwasser in Gemeinden lokal aufzunehmen und zu speichern, anstatt es lediglich zu kanalisieren und abzuleiten. Dadurch sollen Überflutungen bei Starkregenereignissen vermieden, das Stadtklima verbessert und die Gesundheit von Stadtbäumen gefördert werden.

Quelle: Strategische Initiative Schwammstadt

Dieses klimaangepasste Wassermanagement mit Förderung von Verdunstung und Versickerung (begrünte Dächer, entsiegelte Flächen, naturnahe Grün- und Freiraumflächen etc.) wird sich in der Schweiz und anderen Ländern voraussichtlich zum nachhaltigen Standard entwickeln.

Die vielfältigen negativen Auswirkungen des vom Menschen verursachten Klimawandels auf unsere natürlichen Lebensgrundlagen und Lebensumstände sind bekannt und in den letzten Jahren zunehmend spürbar geworden. 

Wissenschaftliche Untersuchungen führen uns einerseits die Ursachen und Symptome vor Augen. Andererseits zeigen sie uns aber auch Wege auf, diesen entgegenzuwirken.

Eine wichtige Rolle spielt dabei der natürliche Wasserkreislauf, der die Verdunstung, die Erhöhung der Luftfeuchtigkeit, die Entstehung von Niederschlägen, die Versickerung ins Grundwasser, die Speisung von Flüssen und schliesslich den Rückfluss in die Meere umfasst.

In unseren Siedlungsgebieten ist der lokale Wasserkreislauf vor allem durch die starke Bodenversiegelung, direkte Ableitung von Niederschlagswasser in die Kanalisation und einen geringen Grünflächenanteil gestört bzw. unterbrochen. Dadurch fehlen Versickerungsmöglichkeiten, so dass das Grundwasser nicht gespeist wird. Regenwasser geht für die natürliche Bewässerung von Siedlungsgrün verloren. 

Quelle: BAFU, Regenwasser im Siedlungsraum

Ein geringer Grünflächenanteil führt ausserdem zu einer Herabsetzung der Transpiration durch Pflanzen. Transpiration bezeichnet die Wasserabgabe über Blattporen an die Luft. Die Luftfeuchtigkeit sinkt dadurch und der damit verbundene Kühlungseffekt entfällt, wodurch sogenannte Hitzeinseln entstehen. Dies lässt die häufigeren Hitzesommer in städtischen Gebieten besonders unangenehm werden.

Zu den zunehmenden Extremwetterlagen zählt auch das Anfallen grosser Niederschlagsmengen in kurzer Zeit, die zu Überflutungen führen können.

Ein Weg, solchen Gesundheitsbelastungen sowie Umweltrisiken entgegenzuwirken, ist also, den natürlichen Wasserkreislauf in Siedlungsgebieten zu fördern bzw. wieder herzustellen.

Schwammstadt in Birsfelden
Für eine Gemeinde wie Birsfelden mit einem weit überwiegenden Anteil an Siedlungsgebiet sind Schwammstadt-Massnahmen daher sinnvoll, um negative Auswirkungen des Klimawandels bei uns zu reduzieren und lokal einen Beitrag zur Ursachenbekämpfung zu leisten.

Positive Nebeneffekte sind Einsparungen beim Unterhalt des gemeindeeigenen Kanalnetzes, tiefere Investitionskosten aufgrund geringerer Dimensionen der Kanalisationsleitungen und eine Kostenreduktion bei der Abwasserentsorgung. Denn durch die Massnahmen gelangt weniger Regenwasser in unsere Kanalisation und in die Kläranlage.

Schwammstadt Pilotprojekte
Die nachfolgend erläuterten Schwammstadt-Projekte befinden sich in der Erprobungsphase. Begleitet von externer Fachexpertise setzt die Gemeinde diese Pilotprojekte um. Durch ein Monitoring wird die Entwicklung und Funktionalität erfasst, so dass notwendige Anpassungen vorgenommen werden bzw. gewonnene Erfahrungen in zukünftige Schwammstadt-Projekte einfliessen können.

Aktuelle Projekte:

Beschreibung
Eine Versickerungsmulde ist eine begrünte Geländevertiefung mit Böschung zu einer tiefergelegenen Grundfläche, welcher Regenwasser durch technische Massnahmen zugeleitet wird. Es handelt sich um eine dezentrale Versickerung mit kurzzeitiger oberirdischer Speicherung des Regenwassers. Die Entleerung der Geländevertiefung erfolgt durch zwei Prozesse: Verdunstung in die Luft und Versickerung ins Grundwasser. Der Boden unterhalb der Mulde sollte möglichst sickerfähig sein, damit sie sich rasch wieder entleeren kann.

Technische Informationen
Für die Umwandlung in Rabatten mit Versickerungsfunktion stand an der Kreuzung Hardstrasse / Lärchengartenstrasse aufgrund erforderlicher Massnahmen zur Verkehrssicherheit eine Fläche von ca. 120 m2 zur Verfügung, an die 675 m2 Strassen- und Trottoirfläche angeschlossen wurden. In der Schulstrasse sind es 80 m2 Versickerungsmulden mit 370 m2 angrenzender Zuflussfläche.

Bei beiden Pilotprojekten wurden an mehreren Stellen Öffnungen in den Randstein geschnitten, über die das Regenwasser einfliessen kann. Damit das Substrat in unmittelbarer Nähe der Einlaufstellen nicht weggeschwemmt wird, wurden Steine und Kies als Strömungshemmnisse eingebaut. Die Muldentiefe hält mit 20 - 25 cm (ca. Höhe einer Treppenstufe) die technischen Vorgaben in Bezug auf Sicherheitsaspekte ein. 

Ein Sickerversuch zur Überprüfung des Wasserabflusses wurde exemplarisch in den Rabatten der Schulstrasse durchgeführt. In den Versickerungsmulden mit einem relativ grossen Regenwasserzulauf durch mehr angeschlossene Strassenfläche wurden zusätzlich Überlaufschächte eingebaut. Sollte sich herausstellen, dass Regenwasser an einzelnen Stellen mehrere Stunden oberhalb des Substrats verbleibt, kann nachträglich die Bodenschicht erhöht oder eine Drainageleitung eingebaut werden.

Tigermücken
Es gibt übrigens keinen Grund, im Zusammenhang mit Schwammstadt-Massnahmen Angst vor einer Stechmückenplage inklusive der Tigermücke zu haben. Letztere ist eine exotische Mückenart, die sich in der Schweiz durch den Klimawandel zunehmend ausbreiten und Krankheiten übertragen kann.

Von der Eiablage in stehenden Gewässern über das Larvenstadium bis zur ausgewachsenen Stechmücke benötigen diese Insekten ca. eine Woche Entwicklungszeit. Versickerungsmulden sind jedoch technisch so geplant, dass das Regenwasser wesentlich schneller in den Untergrund versickert, optimal innerhalb weniger Stunden. 

Sollte sich stehendes Wasser länger oberflächlich halten als geplant, so werden technische Massnahmen ergriffen, um den Abfluss zu optimieren. Versickerungsmulden fördern daher die Tigermücke nicht. Im Gegenteil – sie wirken der Ursache der Ausbreitung dieses Exoten – nämlich dem Klimawandel – entgegen.

Pflanzen
Pflanzen sind in Versickerungsmulden extremen Standortbedingungen ausgesetzt. Einerseits müssen sie Überflutungen von unterschiedlicher Dauer überstehen, andererseits auch längere Trockenheitsphasen aushalten können. Nicht jede Pflanzenart ist hier überlebensfähig. 

Dies muss bei der Auswahl der Artenzusammensetzung berücksichtigt werden. Generell gilt bezüglich Bepflanzungen die kluge, alte Weisheit "Gut Ding will Weile haben". Eine Pflanze ist ein Lebewesen, das sich entwickelt – vom Samen oder kleinen Setzling bis zur ausgewachsenen Pflanze. 

Auch wir kommen nicht als erwachsener Mensch auf die Welt. Manche Arten benötigen ein oder mehrere Jahre, bis sie sich in voller Pracht entfaltet haben. Auch die Witterung und unterschiedliche Wetterverhältnisse während der Vegetationszeit haben einen Einfluss auf die Entwicklung der Bepflanzung und können nicht von uns beeinflusst werden. Geben wir der Flora also die Zeit, die sie braucht, um uns in der Zukunft mit frischem Grün und schönen Blüten zu erfreuen, zu einem guten Siedlungsklima beizutragen und Wildtieren als Nahrung und Versteck zu dienen.

In diesen Rabatten testet man die Kombination der Einsaat einer naturnahen Sickermulden-Saatmischung (Aussaat ab April) kombiniert mit punktuellen +/- überflutungstoleranten Wildstauden (Setzlingspflanzung im März). In zwei Rabatten wurden ausserdem Bäume gesetzt.

Das Substrat (Bodenmaterial, in dem die Pflanzen wurzeln) besteht oberflächlich aus gesiebter Landerde, welche zu 60% mit Sand gemischt wurde, um geeignete Bedingungen für die ausgewählten Pflanzenarten zu schaffen. Es ist mit einer dünnen Lage feinem Splitt abgestreut, damit oberflächlich Substratverdichtung vermieden wird und dadurch eine gute Sauerstoff- und Wasserversorgung der Wurzeln gewährleistet ist. Aus dem gleichen Grund wurde für die Bäume in der tieferen Schicht das Basler Baumsubstrat verwendet, das ebenfalls eine gute Resistenz gegen Bodenverdichtung aufweist. Folgende Baumarten wurden gemäss Expertenempfehlung gepflanzt, da diese als tolerant gegenüber den extremen Bedingungen einer Versickerungsmulde eingestuft werden:

  • Zerr-Eiche (Quercus cerris)
  • Silberlinde (Tilia tomentosa)
  • Herzblättrige Erle (Alnus cordata)
Kuckucks-Lichtnelke
Versickerungsmulde Hardstrasse Ecke Lärchengartenstrasse

Für diese Rabatten hat man sich für das Anpflanzen von standortgerechten Staudensetzlingen entschieden, die insektenfreundlich sind und durch Blütenreichtum ästhetisch ansprechend wirken. Die Mischung enthält solche, die zwei bis drei Jahre Entwicklung bis zu ihrer vollen Grösse benötigen, aber auch sogenannte "Sprinter", welche bereits im ersten Jahr blühen und lebhafte Präsenz zeigen.

Ein spezielles, kiesiges Substrat fördert nicht nur die rasche Regenwasserversickerung, sondern auch ein tiefes Wurzelwachstum der Stauden. Dadurch wird ihre Resilienz gegenüber Trockenheitsphasen und damit ihre Überlebensfähigkeit erhöht.

Ein Problem stellt an diesem Ort jedoch die Durchsetzung auch tieferer Bodenschichten mit den Wurzeln konkurrenzstarker Beikräuter – Ackerkratzdistel und Winde – dar. Diese müssen zunächst wirksam zurückgedrängt werden, um den Staudensetzlingen in diesen Rabatten gute Entwicklungsbedingungen bieten zu können.

Zypressen-Wolfsmilch
Sibirische Schwertlilie
Versickerungsmulde Schulstrasse

Um Erfahrungen mit Funktionalität und Vegetationsentwicklung an beiden Standorten von Schwammstadt-Pilotprojekten zu sammeln, müssen technische und floristische Daten systematisch erfasst werden. Dazu bedarf es eines Monitorings nach festgelegten Kriterien. Aus diesem Grund hat die Gemeinde sowohl für technische Aspekte als auch für die Beobachtung der Pflanzenentwicklung externe Fachleute engagiert, die beide Standorte bis Mitte 2025 regelmässig untersuchen.

Das floristische Monitoring umfasst zum Beispiel den Deckungsgrad der Vegetation, die Anzahl überdauernder Arten aus der ursprünglichen Saat- respektive Staudenmischung, die Nährstoffversorgung der Pflanzen, den Befall mit Krankheiten und Schädlingen sowie das Wurzelwachstum. Bei den drei Bäumen an der Kreuzung Hardstrasse / Lärchengartenstrasse wird unter anderem auch der Längenzuwachs und der Zustand von Hauptästen und Rinde wiederholt überprüft.

Zum technischen Monitoring gehört die Kontrolle des Versickerungsverhaltens. Auch wird im zeitlichen Zusammenhang mit Regenereignissen das Entlastungsverhaltens jeder Mulde angeschaut, das heisst, die Funktion des eingebauten Überlaufs. Die bauliche Konstruktion wird zudem auf Abnützungsspuren und Defekte kontrolliert.

Für zukünftige weitere Versickerungsmulden im Gemeindegebiet Birsfelden soll die Auswertung der Monitoring-Daten Informationen zu Optimierungsmöglichkeiten liefern.

Kontakt

Vegetation / Gestaltung:
Abteilung
Stadt­entwicklung & Natur

Technik:
Abteilung
Bau, Verkehr & Umwelt



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